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Vortrag von Prof. Dr. Ralf Roth: „Unsere Freiheiten sind nicht selbstverständlich“ - Die Juden und die Revolution 1848 in Frankfurt

Zum allerersten Mal fand am 3. Mai 2023 eine gemeinsame Veranstaltung der B’nai B’rith Loge mit unserem Logen Bruder Dr. Benjamin Graumann, Vorstand der Jüdischen Gemeinde Frankfurt statt. In deren Gemeindesaal referierte Prof. Dr. Ralf Roth (Historisches Seminar, Goethe-Universität Frankfurt) als Beitrag zum diesjährigen Paulskirchen-Jubiläum „Unsere Freiheiten sind nicht selbstverständlich“ - Die Juden und die Revolution 1848 in Frankfurt.

Am 18. Mai 1848 trat in der Frankfurter Paulskirche erstmals die Deutsche Nationalversammlung zusammen - die Geburtsstunde der deutschen Demokratie. Anlässlich 175 Jahre Paulskirche werden in Frankfurt verschiedene Aktionen veranstaltet, darunter das Paulskirchenfest vom 18. bis 21. Mai 2023.

Während man überall viele Vorträge zu diesem Thema findet, ist die Bedeutung der Juden bisher in den Jubiläen zur Paulskirche kaum angesprochen worden. Das Thema des Vortrags war im Wesentlichen das Geschehen in und um die Paulskirche, aber auch die Bedeutung der Frankfurter Constituante und die neue Frankfurter Verfassung, die wie die Paulskirchenverfassung nie in Kraft trat, aber bemerkenswert ist, weil es sich um die erste deutsche Verfassung einer demokratischen Republik handelt. An beiden Verfassungen waren Juden beteiligt und beide hätten die vollständige Emanzipation der Juden in Deutschland wie in Frankfurt erheblich beschleunigt.

Es waren vor allem Juden, etwa der Dichter Ludwig Börne, die energisch für die Gleichstellung kämpften und die Emanzipation der Juden als einen Teil der Gesamtemanzipation im immer noch feudalistisch geprägten deutschen Staat verstanden. Der bedeutendste Vorkämpfer für die Emanzipation der Juden war seit den 1830er Jahren der Hamburger Jurist Gabriel Riesser.

Den Verhinderungsstrategien der Emanzipationsgegner setzte er eine klare Position entgegen: Die Juden erfüllen im Staat die gleichen Pflichten wie die anderen Bürger, also stehen ihnen auch die gleichen Rechte zu. Mit dieser Position setzte er sich durch, als er im Revolutionsjahr 1848 in das deutsche Parlament, die Frankfurter Nationalversammlung in der Paulskirche, gewählt worden war. Zum ersten Mal hatten bei diesen Wahlen Juden das uneingeschränkte aktive und passive Wahlrecht.

Nach einer beeindruckenden Rede Riessers sprach sich im August 1848 die Mehrheit des Parlaments für die Gleichstellung der Juden aus. Auch wenn nach dem Scheitern der Revolution in den einzelnen Bundesstaaten noch 20 Jahre lang Hindernisse aufgebaut wurden, war damit der Durchbruch erreicht. Riesser selbst wurde 1860 in Hamburg zum ersten jüdischen Richter in Deutschland ernannt.

Ralf Roth führte in seinem Vortrag aus, wie eng verbunden die Demokratie und die Menschenrechte mit der Emanzipation der Juden waren. Ein Scheitern der Revolution kann man formal natürlich bereits 1849 festlegen. Ralf Roth bewies jedoch, dass die Ideen der Paulskirche nachwirkten. Die Demokratie und das Vermächtnis der Paulskirchenbewegung scheiterte von vielen Juden zu anfangs auch unterschätzt erst 1933 fatal und grundlegend.

Im Anschluss an den Vortrag gab es Gelegenheit zu einem Ideenaustausch bei einem kleinen Imbiss auf gemeinsame Einladung der Jüdischen Gemeinde und B‘nai B’rith.